HERMENEUTIK DES II. VATIKANISCHEN KONZILS
Tagung der Schülerkreise in Castelgandolfo 2010
Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils
Berichte
Schülerkreis
Schülertreffen in Castelgandolfo mit Papst Benedikt 2010
Das Treffen des Schülerkreises mit Papst Benedikt Ende August 2010 in Castelgandolfo gehört gewiß zu den fruchtbarsten seiner Geschichte. Sein Thema " Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils" trifft den Nerv der Schwierigkeiten der katholischen Kirche von heute: Wie muß das Konzil ausgelegt und ins Leben übersetzt werden, wenn es die Kirche in eine gute Zukunft führen soll? Mit Zustimmung des Papstes konnte der Kreis als Referenten Dr. Kurt Koch gewinnen, damals Bischof von Basel, seit dem 1. Juli als Erzbischof Nachfolger von Kardinal Walter Kasper in der Leitung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.
In einem ersten Referat "Das Zweite Vatikanische Konzil zwischen Tradition und Innovation" legte Erzbischof Koch die grundlegenden Linien einer gesunden Auslegung (Hermeneutik) des Konzils vor. Das hieß zum einen: Es darf nicht als ein radikaler Neuanfang der Kirche verstanden werden. In der Linie von Papst Benedikt verwarf er eine "Hermeneutik des Bruchs" und damit eine Auslegung, die im Konzil eine "bruchhafte Diskontinuität" sieht und es so als einen Bruch mit der Tradition und als radikalen Neuanfang deutet. Auf der anderen Seite verwarf er eine Auslegung, in der das Konzil im Sinne einer "ungeschichtlichen" Kontinuität gelesen wird; in der es also allein im Licht der Vergangenheit verstanden und akzeptiert wird, so daß die Elemente einer Vertiefung und neuen Aneignung der Tradition ausgeblendet und verworfen werden. Diesen Extremen gegenüber begründete er die Auffassung, man müsse von einer "Hermeneutik der Reform" (Benedikt XVI.) ausgehen: von der Auffassung einer lebendigen Kontinuität, die zugleich Reform bedeutet.
Ein zweiter Vortrag von Erzbischof Koch galt der Liturgie. In ihr ging er von der Dogmatischen Konstitution des Konzils über die Liturgie aus: "Sacrosanctum Concilium und die nachkonziliare Liturgiereform". Er erläuterte unter anderem das Wort von Papst Benedikt von der Aufgabe einer "Reform der Reform". Sie soll nicht eine Rücknahme der nachkonziliaren Liturgiereform bedeuten, sondern eine neue Etappe der Aneignung, die auch eine kritische Überprüfung der früheren nachkonziliaren Zeit und den Versuch eines tieferen Verständnisses beinhaltet. Dabei geht es – beispielsweise bei der Deutung der "participatio actuosa" (der tätigen Teilnahme) an der Liturgie – um ein echteres Verständnis dessen, was das Konzil beabsichtigte, nämlich um eine volle innere Teilnahme aller Gläubigen. So plädierte auch Erzbischof Koch wie Papst Benedikt für eine geistliche Vertiefung, für eine neue liturgische Bewegung. Den Vorträgen schloss sich ein lebendiges Gespräch an, das nach dem zweiten Vortrag auch weiterging, nachdem Papst Benedikt sich verabschieden musste.
Am folgenden Tag, dem Sonntag, feierte Papst Benedikt mit dem Schülerkreis und dem Neuen Schülerkreis die Eucharistie im Centro Mariapoli. Kardinal Schönborn hielt dabei die Homilie.
Nach dem gemeinsamen Frühstück überreichte Prof. Peter Kuhn dem heilgen Vater das neue Buch "Gespräch über Jesus", das er im Auftrag der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung herausgegeben hatte. Das bei Mohr Siebeck soeben erschienene Buch enthält die Referate und Gespräche der Tagung des Schülerkreises in Castelgandolfo von 2008 und ist wie "ein Scharnier" zwischen dem ersten und dem bald erscheinenden zweiten Bandes des Jesusbuches von Papst Benedikt. Bei seinen Worten des Dankes würdigte Papst Benedikt die Referenten der Tagung 2008, neben Prof. Peter Stuhlmacher vor allem den inzwischen verstorbenen großen evangelischen Theologen Martin Hengel.
Schon am Freitag war der Schülerkreis in einen Erfahrungsaustausch über Auswirkungen und Fruchtbarkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils eingetreten. Zwei Ehepaare des Schülerkreises, Dr. Roman Angulanza und Frau Marianne Angulanza sowie Dr. Josef Zöhrer und Frau Gisela Zöhrer berichteten über ihre Erfahrungen in einem weiten Horizont, P. Alex Thannippara (Indien) und P. Stephan Horn sprachen von ihren Erfahrungen im Bereich des Ordenslebens.
Als Thema eines weiteren Treffens des Schülerkreises mit dem Papst sowie des Neuen Schülerkreises in Castelgandolfo in der letzten Augustwoche 2011 wurde neben anderen Themen vor allem das der Neuevangelisierung vom Schülerkreis in Erwägung gezogen und vorgeschlagen. Das Thema der Neuevangelisierung wurde von Papst Benedikt bestätigt.
P. Stephan Otto Horn
Fotos: Michael Hofmann
Neuer Schülerkreis
Diskussion über die richtige Auslegung der Texte des II. Vatikanischen Konzils
Nachdem der Neue Schülerkreis Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. im April 2010 auf dem Jahrestreffen in Graz sich die Ekklesiologie im Werk von Joseph Ratzinger zum Thema gemacht hatte, stand vom 27.-30. August 2010 die Frage nach der Hermeneutik des II. Vatikanischen Konzils im Mittelpunkt der Diskussion. Die Begegnung, zu der der Schülerkreises Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. die jungen Wissenschaftler auch in diesem Jahr eingeladen hatte, fand erneut im Ort der päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo (Italien) statt und war eingebettet in die regelmäßigen theologischen Gespräche des Hl. Vaters mit seinen ehemaligen Schülern.
Im Mittelpunkt dieser Gespräche, an deren Gegenstand sich der Neue Schülerkreis anlehnte, standen die Deutung und die Rezeption des Zweiten Vaticanums (1962-1965). Hauptredner der zweitägigen Tagung war der neuernannte Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Erzbischof Kurt Koch aus Basel.
Mit der Erweiterung um vier neue Mitglieder besteht der Neue Schülerkreis erstmals nicht nur aus Theologinnen und Theologen. Die Aufnahme eines Philosophen und eines Politikwissenschaftlers macht deutlich, dass das Werk Joseph Ratzingers weit über die innerkirchliche Diskussion hinausgeht. Das wurde insbesondere auch während der Arbeitseinheiten am Samstag deutlich. Anhand von Primärtexten Joseph Ratzingers beschäftigte sich die Tagung der Nachwuchswissenschaftler mit der Frage nach Kontinuität und Diskontinuität der kirchlichen Lehre mit und nach dem II. Vatikanischen Konzil und diskutierte in diesem Zusammenhang auch breit angelegt die Problematik des Verhältnisses der Kirche zur (modernen) Welt. Grundlage der Diskussion bildete eine Ansprache von Benedikt XVI. an das Kardinalskollegium und die Mitarbeiter der römischen Kurie beim Weihnachtsempfang 2005.
Bereits am Freitag Abend war es bei einem Treffen mit den Mitgliedern des Schülerkreises und Erzbischof Kurt Koch zu einem Einstieg in die Thematik und persönlichen Austausch gekommen. Nach der Feier der Hl. Messe mit Papst Benedikt XVI. und einem gemeinsamen Frühstück am Sonntag Morgen bot sich den Mitgliedern des Neuen Schülerkreises dann nach dem Angelusgebet die Möglichkeit, dem sichtlich erfreuten Hl. Vater kurz über die eigenen Arbeiten zu berichten. Am Nachmittag fand erneut eine gemeinsame Arbeitssitzung beider Schülerkreise statt. Insbesondere Erzbischof Kurt Koch und der Wiener Kardinal Christoph Schönborn sowie Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke berichtete dabei einerseits von den theologischen Gesprächen des Schülerkreises mit dem Hl. Vater vom Vortag als auch von ihren eigenen Erfahrungen mit dem II. Vaticanum. Über die Bedeutung des Konzils insbesondere für die Moraltheologie sprach in diesem Zusammenhang P. Prof. Dr. Vincent Twomey SVD (Irland).
Neben der eigentlichen inhaltlichen Arbeit bot sich den jungen Wissenschaftler in diesen Tagen vor allem die Möglichkeit zur Diskussion und zum Austausch mit den Mitgliedern des Schülerkreises über die eigenen Projekte. Dass dies in der Vergangenheit fruchtbringend war und weiterhin ist zeigt sich nicht nur daran, dass der erste der bis dahin nicht promovierten Mitglieder des Neuen Schülerkreises in Castelgandolfo von der Abgabe seiner Dissertationsschrift berichten konnte.
Fotos und Text: Manuel Wluka